Lernkonflikte reduzieren

Wie können wir die Kinder motivieren und unterstützen, sich auf das Lernen einzulassen?

Vielleicht haben Sie mit Ihrem Kind vereinbart, dass es sich nach dem Mittagessen auf die anstehende Matheprüfung oder den Französischtest vorbereitet. Anstatt dass sich das Kind ohne Widerwillen und wie vereinbart ans Lernen begibt, kommt es oft zu hartnäckigen Diskussionen, die einem bereits einiges an Energie rauben. Sie «verhandeln» vielleicht mit Ihrem Kind, dass es noch eine halbe Stunde spielen darf, erwarten dann aber, dass es sich ohne zu Murren an die Arbeit macht. Nach einer halben Stunde werfen Sie einen erwartungsvollen Blick auf die Uhr und begeben sich ins Kinderzimmer – wo Ihr Kind völlig vertieft seine Legoburg am Bauen oder am Comics lesen ist. In diesem Augenblick hören Sie in der Regel Sätze wie «Ich habe jetzt keine Zeit zum Lernen / Muss das jetzt wirklich schon sein? / Ach, noch 5 Minuten spielen, bin gleich fertig… / Der Mathetest wird eh nicht schwierig, ich kann schon alles…» und so weiter, und so fort.

Wie gehen wir besser und entspannter mit diesen täglichen Konflikten und leidigen Diskussionen um, die uns so unendlich viel Energie und Nerven kosten? Häufig ist es ja so, dass diese Diskussionen rund ums Lernen wie in einer «Spirale» verlaufen, man dreht sich sozusagen im Kreis. Wenn Ihr Kind sagt: «Es ist so viel zum Lernen…», erwidern Sie vielleicht «Nein, sieh mal her, es ist doch gar nicht so viel.» Oder Ihr Kind sagt: «Das ist so blöd, ich werde nie im Leben Französisch brauchen». Wir Erwachsenen: «Da täuschst Du Dich, gute Französischkenntnisse werden Dir helfen, eine Lehrstelle zu finden und später einen Job…»… Ich bin überzeugt, dass Sie dem noch zahlreiche Beispiele anfügen könnten.

Wie kommen wir also aus dieser oftmals fast endlosen «Diskussionsspirale» heraus? Nun, einfach aufhören zu diskutieren – was jedoch einfacher gesagt als getan ist. Ich hoffe, Ihnen mit folgenden Tipps die eine oder andere Hilfestellung geben zu können:


Verständnis zeigen:
Anstelle den obengenannten Argumenten Ihres Kindes gegen das Lernen zu widersprechen, die negativen Emotionen des Kindes einfach mal zulassen. Konkret könnte dies folgendermassen aussehen:

Kind: «Es ist sooo viel zum Lernen». 
Sie: «Komm, zeige mir mal Dein Heft, sehen wir’s uns mal gemeinsam an».

Kind: «Es ist so schwierig!»
(Anmerkung: Wie fühlt sich das Kind, wenn Sie darauf vielleicht antworten, dass es doch gar nicht so schwierig sei? Genau: Das Kind kommt sich blöd vor und denkt, dass es wirklich «dumm» sein muss wenn Sie sagen, dass es doch nicht so schwierig sei…). Bessere Antwort:
Sie: «Zeig mal her, was genau musst Du denn alles lernen? Oje, das sieht tatsächlich nicht so einfach aus… Musst Du vielleicht nochmals etwas nachschlagen, um den Inhalt ganz zu verstehen? Was hast Du bisher verstanden?»

Kind: «Das ist so blöd!»
Sie: «Ich merke, Du hast heute gar keinen Bock. Was ist denn das Allerschlimmste, das Du noch anschauen solltest? Möchtest Du gleich mit dem Schlimmsten beginnen oder mit etwas Leichterem?»

Wenn Sie es zulassen können, Ihrem Kind den Raum zu geben, damit es einfach mal seine Emotionen rauslassen kann, ist schon einiges erreicht und der Widerstand gegen das Lernen reduziert sich in der Regel. Manche Kinder finden dennoch immer Gründe, mit uns wie die Weltmeister zu diskutieren. In solchen Fällen empfehle ich Ihnen, Folgendes auszuprobieren:

 

Motzzeit:
Stellen Sie den Timer/Wecker auf 10 Minuten und lassen Sie Ihr Kind seinen Frust von der Seele reden. Das Kind darf über die Lehrpersonen schimpfen, die Schule verfluchen, die nächste Prüfung… Sie müssen einzig darauf achten, dass Sie all dem «Gemotze» nichts entgegnen! Als ich diesen Vorschlag wieder einmal einer leicht verzweifelten Mutter machte, wollte sie die «Motzzeit» zuerst nicht einführen mit der Befürchtung, dass ihr Kind den ganzen Nachmittag durchschimpfen würde. Ich habe sie dann doch überzeugen können, es zumindest mal auszuprobieren, und das Ergebnis war überraschend für sie: Ihr Kind hatte am 4. Tag sogar gesagt, dass es die «Motzzeit» heute nicht benötige. Grund ist der, dass es gar nicht so einfach ist, 10 Minuten in einen leeren Raum zu motzen, wo einem nichts entgegnet wird. Probieren Sie dies selbst mal aus – ich hab’s jedenfalls nicht geschafft, 10 Minuten «durchzumotzen».

Falls das Kind während des Lernens wieder mit Motzen beginnen sollte, stellen Sie umgehend erneut den Timer mit der Frage, ob es nochmals 2-3 Minuten «Motzzeit» benötige? Dies, um zu verhindern, dass das Lernen und Motzen vermischt wird und für schlechte Stimmung sorgt – also: Lernen und Motzen klar trennen.

 

Nur helfen, wenn das Kind Hilfe annimmt:
Unter welchen Bedingungen sind Sie bereit, beim Lernen zu helfen? Wenn die Stimmung des Kindes so schlecht ist, dass es nur noch schimpft und sich weigert mitzumachen, dann kann es hilfreich sein, einfach mal den Raum zu verlassen mit einer Bemerkung wie: «Hole mich dann wieder, wenn Du Dich beruhigt hast und wieder bereit bist». Diese Massnahme ist nicht als Bestrafung gedacht, sondern zum Schutz Ihrer Beziehung zu Ihrem Kind. Nichts setzt der Beziehungsebene so sehr zu wie die täglichen Lernkonflikte mit Ihrem Kind. Sie signalisieren Ihrem Kind damit, dass Ihnen die Beziehungsebene sehr wichtig ist und Sie diese nicht aufs Spiel setzen wollen.

Bei Jugendlichen erzielen Sie in der Regel guten Erfolg, indem Sie die «Kontrolle» etwas zurücknehmen. Dies fördert in der Regel die Eigenverantwortung.

 

Mitspracherecht einräumen:
Lassen Sie Ihr Kind die Lernplanung mitgestalten. Jüngere Kinder dürfen beispielsweise entscheiden, ob sie zuerst Mathe oder Deutsch lernen möchten. Oder Sie lassen Ihr Kind wählen, ob es seine Schularbeiten lieber an seinem Pult im Kinderzimmer erledigt oder doch lieber am Küchentisch. Wie könnte eine gute Pausengestaltung aussehen? Solch kleine Entscheidungsfreiheiten geben dem Kind zumindest ein gewisses Gefühl von «Kontrolle» und bringen Entspannung in die oft angespannte Lernsituation.

 


Wenn Sie die beschriebenen Vorschläge ausprobieren werden Sie schnell feststellen, welche bei Ihrem Kind funktionieren und welche eher nicht. Behalten Sie jene Tipps die funktionieren und Entspannung bringen bei und lassen Sie diese zur Routine werden.